Erziehung im Islam

Das arabische Wort für Erziehung lautet „Tarbyia“ und wird allgemein als „der Prozess des Trainings und der Disziplinierung der Seele“ definiert. Was auf den ersten Blick eher archaisch klingt erweist sich bei näherer Betrachtung als ein holistisches Konzept, welches den Menschen in seiner Gesamtheit und lebenslangen Entwicklung umfasst: Tarbyia ist die Kunst, mit Menschen auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Situationen richtig umzugehen und sie auf diese Weise in ihrer religiösen, spirituellen, Entwicklung zu stärken.
Neben dem Glück im Diesseits und der Begleitung der Kinder zu rechtschaffenden und zufriedenen Erwachsenen, sind auch das Bewusstsein über das Jenseits und das Wissen um die Aufgaben als Muslim / Muslima Ziele der islamischen Erziehung. Tarbyia hat einen sehr hohen Stellenwert in der Religion und der Prophet Muhammad (sws) selbst gilt als das beste erzieherische Vorbild (Murabbi), sowohl was seinen Umgang mit Kindern, als auch mit Erwachsenen betrifft. In zahlreichen Überlieferungen aus seinem Leben können wir nachlesen, welche Werte ihm dabei wichtig waren und welchen Erziehungs-Stil er pflegte.
„Der beste von euch ist derjenige, der seine Familie am besten behandelt. (Und von euch bin ich derjenige, der seine Familie am besten behandelt.)“ (überliefert nach Muslim & Buchari)
Die islamische Erziehung empfiehlt einen Erziehungs-Stil, welcher heute in der Pädagogik als „demokratische Erziehung“ beschrieben wird: Es ist eine Erziehung, die sich in ihren Regeln dem Altern der Kinder anpasst und als ein Weg zwischen Liebe & Grenzen bezeichnet werden kann. Das Motto lautet: So viel Regeln wie notwendig und so viel Freiheit wie möglich. Barmherzigkeit, Freundlichkeit, Geduld, Gerechtigkeit und Liebe sind die Grundelemente der Erziehung im Islam. Ganz klar ist auch, dass die Hauptverantwortung für die Erziehung der nächsten Generation im innerfamiliären Bereich liegt, obwohl externen Institutionen, wie z.B. Kindergärten und Schulen als Bildungsinstitutionen ebenfalls eine wichtige erzieherische Funktion zukommt. Im Islam gilt die bewusste Beschäftigung mit dem Thema „Kindererziehung“ als eine wichtige Pflicht der Eltern, von denen erwartet wird, dass sie sich bereits vor Beginn der Ehe mit diesem Thema auseinandersetzen und die Frage: „Kann ich mir vorstellen mit meiner Partnerin / meinem Partner gemeinsam Kinder zu erziehen?“ bedenken.
In der beratenden und begleitenden Arbeit mit Eltern und Familien erlebe ich immer wieder wie wichtig es ist, sich die Bedeutung des Themas regelmäßig bewusst zu machen und sich auch als Eltern gemeinsam damit zu beschäftigen. Erziehung passiert hauptsächlich durch Vorbildwirkung. Daher ist es wichtig sich die Zeit zu nehmen und gemeinsam darüber nachzudenken „Wo stehen wir?“, „Was brauchen wir?“ und „Wie können wir uns gegenseitig stützen?“.
Auch das ist Tarbyia.
Quellen:
Abdul Bari, M (2016). Wie begleite ich mein Kind durch die Pubertät – Ein Wegweiser zu islamischer Erziehung, Wuppertal: Tuba Verlag.
Abdul Bari, M (2018). Der Wert der Kindheit – Ein Wegweiser zu islamischer Erziehung, Wuppertal: Tuba Verlag.
Dr. E. Beshir, M.R.Beshir (2003), Kindererziehung im Westen, Cordoba Verlag
Sabrina Fuchs-El Bahnasawy arbeitet als Sozialpädagogin, Lebens- und Sozialberaterin & Supervisorin in Wien;